Von Seefiguren und Sonnenrädern
akzent April 2016, Redaktion Johannes Dörflinger
Johannes Dörflingers Werke hängen im Guggenheim Museum New York, in der Tate Gallery London, im Kunstmuseum Singen. Seine weltweit einzigartige Kunstgrenze teilt und verbindet Deutschland und die Schweiz. Im April feiert der in Konstanz geborene Künstler seinen 75sten Geburtstag, und die Galerie KunstGrenze in Konstanz und das Kunstmusem Singen feiern das mit Ausstellungen seiner Werke.
akzent traf Johannes Dörflinger in der von der Johannes Dörflinger Stiftung und der Galeristin Claudia Hofmann betriebenen Galerie KunstGrenze und stellte siebeneinhalb Fragen.
akzent: Sie sind am 12.04.1941 in Konstanz geboren, mitten im Krieg. Was ist Ihre erste Erinnerung?
Johannes Dörflinger: Ich wurde in eine grüne Wolldecke gewickelt von meiner Mutter, und sie hatte ein kleines Akkordeon und hat darauf gespielt und gesagt, 'wir gehen nicht in den Keller'. Die Wolldecke hatte sie selber gestrickt, die habe ich noch. In Konstanz gabs ja nur Alarme ohne Bomben, aber man sollte in den Keller gehen.
akzent: Mit 19 haben Sie angefangen, Kunst zu studieren; wie reagierte Ihre Umgebung auf die Wahl dieses meist brotlosen Faches?
J. D.: Das war unkompliziert. Ich wollte auf die Kunstakademie in Karlsruhe gehen und hatte eine Mappe eingereicht. Mein Zeichenlehrer sagte damals, 'probiere das nur, dann wirst du Kunsterzieher und hast ein sicheres Leben'. Erst als ich sagte, 'ich werde nicht Kunsterzieher, ich werde freier Künstler', kam der Schreck bei meiner Mutter: 'Das ist ja furchtbar, jetzt verhungerst du!' Aber dann kam ein kleines Stipendium, ich bin nach Berlin gegangen, dann kam die Studienstiftung, die mein ganzes Studium bezahlt hat. Ich hatte immer Glück, damals.
akzent: Hatten Sie einen Plan B?
J. D.: Psychologie, aber das habe ich so nebenher studiert aus Interesse, nicht ernsthaft.
akzent: In Ihrem Bilderzyklus 'Apokalypse offen' gehe es um die Überwindung bedrängender Fantasien, haben Sie einmal gesagt. Derzeit sind wieder apokalyptische Fantasien im Umlauf – was ist Ihre Lieblingsangst, und wie überwinden Sie sie?
J. D.: Ich habe keine Angst, wirklich nicht. Mich hat die mittelalterliche Illustration mit Figuren schon immer interessiert. Der Weg dahin kam durch das Interesse an Form und Gestalt, nicht von außen ... Ich habe keine Angst, dass die Welt untergeht, da lese ich lieber Bücher, den 'Schwarm' von Frank Schätzing zum Beispiel, der ist doch gut ...
akzent: Thema Kunstgrenze: Grenzen aller Art haben wieder Konjunktur – offene Grenzen, Grenzzäune, gestürmte Grenzen, rote Linien ... Inwiefern kann Kunst Grenzen setzen? Inwiefern kann Kunst Grenzen überwinden?
J. D.: Das ist bei der Kunstgrenze eindeutig zu sehen. Sie setzt die Skulpturen auf die Grenzlinie, lädt aber trotzdem zum Hin und Hergehen ein. Aber das Bewusstsein, Hin- und Hergehen zu können, hat eine innere Grenze, denn sobald es gefährlich wird, hört es auf – die Grenze wird schon bewacht. Aber es ist noch nie etaws an dieser Grenzlinie passiert. Da ist ein Nichts und trotzdem ist was da, es wird etwas unterteilt und dennoch ist nichts geteilt. Wenn dieses doppelte Fühlen oder Denken zu spüren ist, dann ist es richtig. Nichts ist eindimensional: Da sind die zwei Länder, die Schweiz und Deutschland, da sind die Skulpturen und da ist ein Mensch, der drumrumläuft, das ist doch wunderbar.
akzent: Konstanz, Karlsruhe, Berlin, London, New York, Gozo, Göschweiler, Ihre ehemaligen oder aktuellen Wohnsitze und Arbeitsstätten – welcher Ort wirkt besonders inspirierend für Sie und warum?
J. D.: In den letzten 20 Jahren wahrscheinlich Gozo, weil da dieses archaische Grundgefühl ist. Die Zeit ist länger dort. Ein Tag auf Gozo kann so sein wie hier eine Woche. Ich lasse keine Ablenkung zu, kein Internet, kein Radio, nur Bücher nehme ich mit.
akzent: Was wäre wenn ... Würden Sie die Frage bitte nach Belieben fortsetzen und, wenn Sie wollen, auch gleich beantworten?
J. D.: Was wäre ... wenn ich dazu beitragen könnte, ein kleines Kunsthaus in Konstanz zu realisieren. Das würde mich sehr interessieren, aber ich bräuchte einen Ansprechpartner, der dafür einen Sinn hat, und da sehe ich in Konstanz derzeit niemanden.